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Um die Sinnhaftigkeit eines Ereignisses oder einer Handlung zu erfassen,
ist es nicht notwendig, dass ich das Ereignis oder die Handlung verstehe,
vielmehr ist es erforderlich, dass ich seine/ihre Auswirkungen verstehe.
("Ich verstehe zwar nicht, wie das zustande gekommen ist, aber ich
sehe, dass es einen ausgesprochen positiven Effekt auf ihn hat, und das
freut mich sehr!")
So können wir sagen: Sinn ist das Woraufhin, das Ziel oder der Zweck
des Entwurfs, aus dem heraus etwas verständlich wird.
Eine unsinnige Handlung ist eine Handlung, die aus Teilhandlungen besteht,
welche keinen logischen Zusammenhang erkennen lassen. Beispiel für
"Etwas Unsinniges tun": "Einen roten Luftballon salzen,
pfeffern und dann im Backrohr garen."
Sinn und Prozess (Teilprozess – Gesamtprozess): Um etwas als sinnvoll
zu bezeichnen, muss es aus mehreren Teilschritten bestehen, die nacheinander
ablaufen und ein erkennbares Ziel haben. Es muss ein sich durchziehender
roter Faden erkennbar sein; es muss in irgendeiner Weise ein Konzept dahinter
stehen. Die Teilschritte sind wiederum Teil eines größeren
Konzeptes, eines Entwurfs mit einem Woraufhin, also einem Ziel oder Zweck.
Sinnvoll sind nur Prozesse. Etwas "bloß Seiendes" hat
an sich noch keinen Sinn. Einem "Seienden" kann nur deshalb
Sinn zugeschrieben werden, weil es dieses nur gibt, indem es in einem
Prozess ("Sein") eingebunden ist.
Beispiele:
Hat der Zaun einen Sinn? Ja, denn er hält die Wildtiere vom Garten
ab. Genau genommen hat nicht das "Seiende" – der Zaun
– einen Sinn, sondern der Prozess, in dem er eingebunden ist –
sein Dastehen mit der Folge des Abhaltens der Wildtiere.
Hat der rote Punkt dort aus dem abstrakten Gemälde dieses Künstlers
einen Sinn? Ja, denn seine Lage in der Mitte des Bildes bewirkt einen
starken Kontrast zum blauen Strich in der linken unteren Ecke.
Hatte der Krieg in diesem Land Sinn? Ja, denn dadurch wurde ein Regimewechsel
bewirkt und dies ermöglichte längerfristig den Aufbau demokratischer
Strukturen.
Hatte der Krieg in diesem Land einen Sinn? Nein, zwar wurde dadurch ein
Regimewechsel bewirkt, aber das längerfristige Ziel, nämlich
der Aufbau demokratischer Strukturen wurde nicht erreicht. Im Gegenteil,
das neue Regime ist genauso undemokratisch, brutal und korrupt wie das
alte.
Wir können nun den Zusammenhang zwischen Sinn und Prozessen folgendermaßen
herausstellen: Sinnvoll kann nur ein Prozess sein. Dieser muss etwas bewirken.
Ein Prozess hat einen Zweck und ein Ziel. Der Zweck liegt definitionsgemäß
außerhalb des Prozesses, das Ziel am Endpunkt des Prozesses. Der
Prozess muss einen nachfolgenden Prozess beeinflussen (in Gang bringen,
beschleunigen, verlangsamen, verändern etc.) Der Prozess muss Glied
einer Kette von miteinander zusammenhängenden Prozessen sein. Diese
miteinander zusammenhängenden Prozesse bilden einen Gesamtprozess.
Der Gesamtprozess hat einen Zweck, der außerhalb und ein Ziel, das
am Endpunkt des Gesamtprozesses liegt. Zweck und Ziel eines Teilprozesses
sind nicht Zweck und Ziel des Gesamtprozesses.
Einen Prozess verstehen und auslegen kann nur ein daseinsmäßiges
Seiendes (z.B. der Mensch).
Ein nichtdaseinsmäßiges Seiendes (z.B. ein Fahrrad) kann einen
Prozess nicht verstehen und auslegen.
Nur ein daseinsmäßiges Seiendes (z.B. der Mensch) kann einen
Prozess in Teilschritte unterteilen (gliedern). Jede Zerlegung (Gliederung)
eines Gesamtprozesses in Teilschritte ist künstlich. Jede Zerlegung
des Gesamtablaufs der Welt ist ebenso künstlich. Der menschliche
Verstand ist so konfiguriert, dass er in seiner Vorstellung ständig
einen Gesamtprozess in Teilprozesse zergliedert (artikuliert). Dies ist
schon dadurch gegeben, da er, solange er lebt, den Prozess der Welt in
seiner Gesamtheit nicht erkennen kann.
Um den Gesamtprozess in Teilschritte zu gliedern, muss der Mensch aus
dem Prozess austreten. Er kann dann den Prozess dissoziiert betrachten
und die von ihm künstlich gegliederten und "vor sich ausgelegten"
Teilschritte benennen. Diese Teilschritte erhalten von ihm Namen (Etikette),
die Nominalisierungen sind. Vorteil von Nominalisierungen ist, dass sie
als abgegrenzte Einheiten klassifizierbar, gut im Gedächtnis speicherbar,
miteinander auf verschiedene Weise kombinierbar und gut mit anderen Menschen
kommunizierbar sind. So können andere Menschen Prozesse kennen lernen,
ohne selbst in diese Prozesse involviert (gewesen zu) sein.
Der Mensch macht ständig Entwürfe von (Gesamt)prozessen mit
einem Endzweck und einem Endziel.
Ein (Teil)prozess wird vom betreffenden Menschen als sinnvoll erlebt:
1. Wenn der übergeordnete Gesamtprozess mit dem entsprechenden Entwurf
des betreffenden Menschen übereinstimmt.
2. Wenn der Zweck und das Ziel des Gesamtprozesses vom betreffenden Menschen
positiv bewertet werden.
3. Wenn er Teilprozess des Gesamtprozesses ist und dabei in erkennbarer
(und dadurch benennbarer) Weise das Erreichen des Endzieles fördert.
Kurz: Ein bestimmter einzelner (Teil)prozess aus einer Kette von (Teil)prozessen,
die zusammen einen Gesamtprozess bilden, ist dann sinnvoll, wenn er dem
Zweck des Gesamtprozesses dient. Der Zweck des Gesamtprozesses verleiht
den einzelnen Teilprozessen Sinn.
Wenn Sie diesen meinen Text mit dem Heideggers vergleichen, so werden
Sie sehen, dass Übereinstimmung besteht: "Wenn innerweltliches
Seiendes mit dem Sein des Daseins entdeckt, das heißt zu Verständnis
gekommen ist, sagen wir, es hat Sinn. Verstanden aber ist, streng genommen,
nicht der Sinn, sondern das Seiende, bzw. das Sein. Was im verstehenden
Erschließen artikulierbar ist, nennen wir Sinn. Der Begriff des
Sinnes umfasst das formale Gerüst dessen, was notwendig zu dem gehört,
was verstehende Auslegung artikuliert. Sinn ist das durch Vorhabe, Vorsicht
und Vorgriff strukturierte Woraufhin des Entwurfs, aus dem her etwas als
etwas verständlich wird. Sofern Verstehen und Auslegung die existenziale
Verfassung des Seins das Da ausmachen, muss Sinn als das formal-existenziale
Gerüst der dem Verstehen zugehörigen Erschlossenheit begriffen
werden." (S. 151) Sinn hat eine Entität nur dann, wenn sie von
mir verstanden worden ist; verstanden ist dabei deren Sein, d.h. der Prozess,
in den sie involviert ist. Und jetzt kommt der entscheidende Satz: Was
wir im verstehenden Zugang zu ihm in Abschnitte gliedern können,
nennen wir Sinn. Anders ausgedrückt, wenn wir einen Gesamtprozess
in Teilprozesse gliedern und auseinanderlegen können, empfinden wir
den Gesamtprozess für sinnvoll. Ein jeweiliger Entwurf wird von uns
im Prozess der Auslegung mittels Vorhabe, Vorsicht und Vorgriff auf sein
Woraufhin (Ziel und Zweck) strukturiert. Aus seinem Woraufhin, d.h. seinem
Ziel und Zweck, wird etwas als etwas verständlich und als sinnvoll
erlebt.
Im nächsten Paragraphen, der sich mit der Aussage beschäftigt,
weist Heidegger an zwei Stellen noch einmal darauf hin, dass der Sinn
mit der Sichtbarmachung des Gegliederten = Artikulierten (auf der Ebene
der Auslegung) bzw. Gliederbaren = Artikulierbaren (auf der dem Auslegen
zugrunde liegenden Ebene des Verstehens) zu tun hat: "Das in der
Auslegung Gegliederte als solches und im Verstehen überhaupt als
Gliederbares Vorgezeichnete ist der Sinn." (S. 153) und: "Den
Begriff des Sinnes restringieren wir nicht zuvor auf die Bedeutung von
"Urteilsgehalt", sondern verstehen ihn als das existenziale
Phänomen, darin das formale Gerüst des im Verstehens Erschließbaren
und in der Auslegung Artikulierbaren überhaupt sichtbar wird."
(S. 156)
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